„Dankbar, dass sie noch am Leben waren“

Von Luna Kunert, Gymnasium Nackenheim, Klasse 8b

Frau Tokar, Sie waren während den Beben in der Türkei, um dort zu helfen. Was haben Sie dort gesehen und erlebt?
„Ich habe vieles gesehen. Natürlich eingestürzte Häuser, Menschen die traumatisiert vor den Trümmern sitzen, verzweifelte und traurige Menschen, Kinder die keine Winterkleidung haben. Trotz Trauer, hat man jedoch gemerkt und gesehen, dass die Menschen dankbar waren, dass sie noch am Leben waren.“

Waren Sie von Nachbeben betroffen?
„Ja, und zwar war das in der Region Hatay mit einer Stärke von 5,6. Zu dem Zeitpunkt waren wir an einer Tankstelle und sind sofort aus dem Auto gesprungen. Es hat ein paar Sekunden gedauert und dann war es auch wieder gut, jedoch wird man trotzdem panisch. Dann sind wir wieder weitergefahren und haben nach ca. 2 Stunden nochmal ein Erdbeben erlebt, bei dem wir auch draußen waren.“

Wie hat man sich vor der Kälte geschützt?
„Manche Menschen haben von Organisationen Heizstrahler bekommen, andere hatten jedoch gar nichts und haben dann auf der Straße ein Feuer gelegt, damit sich jeder, vor allem nachts, ein bisschen wärmen konnte.“

Wie haben die Menschen Vorort auf Hilfe reagiert?
„Die Menschen waren wirklich sehr dankbar für jede Hilfe/Spende, obwohl die meisten jede Menge verloren haben. Es hat den Menschen auch sehr viel bedeutet, dass wir extra aus Deutschland in die Türkei geflogen sind, nur um ihnen zu helfen. Ich wollte einem Vater, der daraufhin in Tränen ausgebrochen ist, ein Hilfspaket geben, und dieser hat gesagt, dass er sich gerade schämt das Paket zu nehmen, weil es ihm finanziell sehr gut ging, bis er von heute auf morgen alles verloren hat und jetzt auf eine Tüte mit Wasser und ein paar Lebensmitteln angewiesen ist.“

Wo waren die Menschen untergebracht?
„Größtenteils in Zelten. Die Menschen, die in ihre Häuser zurückgegangen sind, waren dann teilweise 15 Menschen in einer 1- oder 2-Zimmer-Wohnung. Ich habe z.B. eine 2-Zimmer-Wohnung gesehen in der überall Matratzen und Decken herumlagen. Man sollte hier in Deutschland definitiv schätzen, was man hat!“

Wo waren Sie untergebracht?
„Wir haben in einem Fitnessstudio von einem Freund übernachtet, in dem es noch kälter als draußen war. Dort haben wir jedoch nur geschlafen, weil es keinen Stock über uns gab, damit bei Beben notfalls nicht so viel auf uns fällt. Wir haben nachts auch immer schichtweise Wache gehalten. Zwei haben aufgepasst, während die anderen geschlafen haben.“

Gab es Plünderer?
„Ja, es gab auch Plünderer. Zum größten Teil machen die Menschen dort Selbstjustiz, was die Plünderer meistens nicht überleben. Mir hat eine Person erzählt, dass er 16 Familienmitglieder verloren hat, in Trauer ist und dann ein Plünderer in das eingestürzte Haus ging und die Sachen von seiner Tochter mitnahm. Die Menschen haben in dem Moment verständlicherweise eine große Wut. Die Plünderer nehmen ja nicht mal lebensnotwendige Dinge mit, sondern Wertsachen.“

Warum plünderten viele Menschen?
„Zur eigenen Bereicherung. Zum Beispiel wurde mir erzählt, dass ein Plünderer einer toten Frau den goldenen Ring vom Finger gezogen hat. Der Plünderer braucht diesen Ring nicht und die Menschen, die das gesehen haben, haben ihn dementsprechend natürlich auch bestraft.“

Wie hat man sich vor den Plünderern geschützt?
„Die meisten Menschen sind bewaffnet . Ich habe auch Familien mit Hunden gesehen, die aber teilweise auch traumatisiert waren. Zum Beispiel gab es einen Hund, der 4 Tage lang nichts gegessen hat und nur vor sich hin vegetiert hat. Man muss auch an die Tiere denken, die ebenfalls traumatisiert sind.“

Was würden Sie sagen, brauchen die Menschen in der Türkei und in Syrien am meisten?
„Die Menschen brauchen alles. Zum Beispiel gibt es Organisationen, die gerade von Spendengeldern Container finanzieren, die dann als Alternative für Zelte genutzt werden. Diese Container sind definitiv wichtig, trotzdem brauchen die Menschen immer noch Lebensmittel, Kleidung, die Kinder brauchen Unterstützung, Spielsachen.
Auch wenn das Erdbeben ein paar Wochen her ist, sollte man nicht vergessen, dass die Menschen immer noch vieles benötigen.“